Frauen stehen beim dritten Marie-Juchacz-Empfang in Neumünster im Mittelpunkt
Neumünster. Als Gründerin der AWO, Pionierin für Frauenrechte, Sozialreformerin und Mitglied der Weimarer Nationalversammlung trat Marie Juchacz als erste Frau in einem deutschen Parlament ans Rednerpult. Sie verwirklichte die Idee der „Selbsthilfe der Arbeiterschaft“ und gründete die AWO im Jahr 1919. Zu Ehren der AWO Gründerin und zum 100-jährigen Jubiläum der Arbeiterwohlfahrt richtet die AWO Schleswig-Holstein heute, an Juchacz’ 140. Geburtstag, zum dritten Mal den Marie-Juchacz-Empfang im Alten Stahlwerk in Neumünster aus.
Starke Frauen und ihr Engagement bei der AWO
Gewidmet ist der Abend allen starken Frauen und deren Engagement bei der AWO.
„Viele starke Frauen haben die Geschichte der AWO geprägt und prägen sie auch heute noch“, sagt AWO Landesvorsitzender Wolfgang Baasch. In diesem Sinne werden die Fachvorträge bei dem Empfang von Frauen gehalten: Beim dritten Marie-Juchacz-Empfang hält Journalistin und Bestsellerautorin Carmen Thomas einen Impulsvortrag zum Thema „Gemeinsam besser? Verschiedenheit als Wert“. Als eine der ersten Frauen im Journalismus wagt sie gemeinsam mit der 101-jährigen Hildegard Meyer einen Rückblick in die vergangenen 100 Jahre. Der Tipp von Frau Meyer für ein langes Leben? „Immer in Bewegung bleiben und viel Lachen!“ In der Gesprächsrunde sitzt auch die 96-jährige Marie Möller, deren Eltern die AWO mit gegründet haben.
Carmen Thomas berichtet, welche Folgen es haben kann, wenn man als erste Frau das Eis bricht und eine Sache zum ersten Mal tut, die vorher nicht für Frauen vorgesehen war und wie heute die Verschiedenheit von Männern und Frauen zu einem wirkungsvollen neuen Wert werden kann. „Menschen brauchen mehr Sicherheit, Zusammenhalt und Zuversicht, da die Zukunft besonders große Herausforderungen bietet“, sagt Thomas und erklärt, wie es gelingt, gerade beim Kooperieren – egal ob in der Familie, im Beruf, in der Freizeit – handfest begreifbar zu machen, dass alle in einem Boot sitzen, das nur vorankommt, „wenn alle miteinander rudern statt durcheinander oder gegeneinander.“
AWO-Fotoprojekt „100 Hundertjährige aus Schleswig-Holstein“ abgeschlossen
Im Anschluss bedankt sich der AWO-Landesvorsitzende Wolfgang Baasch bei Fotograf Dr. Bernd Bünsche. Zum Geburtstag der AWO hat er in etwas über einem Jahr 100 hundertjährige Menschen aus Schleswig-Holstein in schwarzweißen Fotos porträtiert. Im Februar konnte das Jubiläumsprojekt abgeschlossen werden. Dabei war das Ziel der AWO Pflege Fotos von 100 Hundertjährigen aus Schleswig-Holstein zu machen, passend zum 100. Geburtstag der Arbeiterwohlfahrt in diesem Jahr. Eine der Teilnehmerinnen ist auch die 101-jährige Hildegard Meyer aus Neumünster. Für das Projekt ist Dr. Bünsche knapp über ein Jahr lang stolze 8850 Kilometer durch ganz Schleswig-Holstein gereist. Er hat die 100-Jährigen in ihrem Zuhause besucht, sich viel Zeit genommen und sie zu ihrem Leben befragt.
Ausstellung und Bildband der 100-Jährigen
Die Fotos werden im Sommer in Kiel ausgestellt. Mit einer Vernissage wird die Ausstellung am 5. August 2019, um 18 Uhr, in der Bürgergalerie der Fördesparkasse Kiel, Lorentzendamm 28-30, eröffnet. Schirmherrin der Ausstellung ist die ehemalige stellvertretende Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins und ehemalige Ministerin für Bildung und Frauen, Ute Erdsiek-Rave.
Fotograf Dr. Bernd Bünsche, viele Jahre im Landesmuseen Schloss Gottorf tätig, schuf im Laufe seiner Arbeit bereits eine Serie eindrucksvoller Fotografien aus dem Alltag von Menschen. Neben der Ausstellung wird auch ein Bildband durch die Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein veröffentlicht, die das ganze Fotoprojekt beraten und begleitet hat.
Hintergrund zu Marie Juchacz
Marie Juchacz wollte soziale Ungerechtigkeiten ausgleichen, um Teilhabe zu ermöglichen. Sie versuchte durch die Organisation von Nähstuben, Mittagstischen, Werkstätten und Beratungsstellen die Not der Menschen nach dem Ersten Weltkrieg zu lindern. „Der Kampf für eine geschlechtergerechte Gesellschaft ist Teil der Geschichte der AWO“, sagt der AWO-Landesvorsitzende Wolfgang Baasch. Denn als Marie Juchacz begann, sich für politische Fragen zu interessieren, war Frauen die Mitgliedschaft in einer Partei verboten – so trafen sie sich in sogenannten Frauenbildungsvereinen. Kaum wurde das Verbot aufgehoben, trat die Brandenburgerin in die SPD ein und setzte sich für das Frauenwahlrecht ein, das auch in diesem Jahr sein 100-jähriges Jubiläum feiert.
Frauenrechte auch in Zukunft stärken
„In dieser langen Zeit ist zwar viel passiert – trotzdem sind die Forderungen nach einem selbstbestimmten, gewaltfreien und ökonomisch abgesicherten Leben sowie nach gleichberechtigter Teilhabe an der Gestaltung der Gesellschaft für alle Frauen auch heute nicht zufriedenstellend erreicht. Beim Thema Frauenrechte gibt es auch in Zukunft für die AWO Schleswig-Holstein noch viel zu tun“, sagt AWO-Landesgeschäftsführer Michael Selck. Daran will die AWO Schleswig-Holstein auch mit ihrem diesjährigen Jahresempfang erinnern. Um es mit Worten von Marie Juchaczzu sagen: „Wir sollten die Gegenwart an der Vergangenheit prüfen und uns an dem, was daran gut war, neu orientieren. Nicht, um in der Vergangenheit zu verharren, sondern um immer wieder erneut für die Zukunft bereit zu sein.“